Bildungs- und Kulturreise nach Schottland
September 2013
Wir bedanken uns bei dem Gruppenleiter Herrn Dipl.-Ing. Peter Winklhofer für die Erlaubnis, den nachfolgenden Text auf unserer Website zu veröffentlichen.
Als am 25. September 17 Reisefreunde von Leipzig/Halle und von Berlin-Tegel über den Airport Frankfurt/Main nach Edinburgh aufbrachen, waren die Koffer auffällig groß. Alle hatten sicherheitshalber umfangreich Regensachen und warme Kleidung eingepackt. Doch diese konnten fast vollständig unbenutzt wieder mit nach Hause genommen werden, denn außer etwas Nieselregen passierte nichts dergleichen und an den letzten drei Tagen verfolgte uns strahlender Sonnenschein. Wir waren in den schottischen Altweibersommer hineingereist und genossen dessen klimatische Vorteile.
Ein weiterer Vorteil ließ uns das ein Jahr im Voraus vorbereitete Reiseprogramm gleich zu Beginn sinnvoll ändern. An der Südküste des gewaltigen Nordseefjordes Firth of Forth ist vor den Forth Bridges aus Anlass der im Bau befindlichen dritten Riesenbrücke an dieser Stelle ein Informationszentrum errichtet worden, welches uns bereits auf der Anreise nach Glasgow die Möglichkeit bot, durch Vortrag eines leitenden Vermessungsingenieurs bestens informiert zu werden. Vorher habe ich mir erlaubt, angesichts der historischen Eisenbahnbrücke von 1890, auf der Grundlage umfangreichen Informationsmaterials die Brückenkonstruktion mit ihren statischen Besonderheiten und die früheren Baumethoden und Abläufe so anschaulich wie möglich zu erläutern. Doch hierzu ist in der nächsten Ausgabe der BDB-Landesnachrichten ein gesonderter Artikel in Vorbereitung.
In Glasgow angekommen, konnten wir uns von der zentralen Lage des Mercure Glasgow City Hotels nahe am historischen George Square und dem City Chambers (Rathaus) überzeugen. So war es nicht weit bis zu den ersten charakteristischen Pubs und einer kleinen vorgezogenen Whisky-Verkostung.
Nach der Stadtrundfahrt am zweiten Tag bekamen wir erst recht einen Eindruck von der Größe der Stadt, ihrer außerordentlichen wirtschaftlichen Vergangenheit und dem stattfindenden Transformationsprozess zur heutigen Kongress-, Kultur und Designstadt von europäischem Rang. So führte unser Weg über den Clyde Fluss in Höhe des bekannten BBC-Gebäudes auch zuerst zum "Scottish Exhibition and Conference Centre (SECC)" welches Forsters und Partners errichtet haben. Die auch als Gürteltier bezeichnete Halle führt inzwischen weiter zu einer neuen ultramodernen Veranstaltungsarena, "The Hydro", die wenige Tage vor ihrer feierlichen Eröffnung stand und der O2-Arena in Berlin sehr ähnelt. Leider konnten wir sie noch nicht im voll hinterleuchteten Zustand sehen.
Mit besonderer Freude erfüllte mich, dass es nun möglich wurde, erstmalig auf unseren Reisen eine Architekturkomposition von Zaha Hadid zu sehen. Das Riverside Museum ist vielleicht nicht ganz so spektakulär geformt, wie man es von ihren zahlreichen Entwürfen und Bauten gewohnt ist, doch verkörpert es schon von außen deutlich den Zweck des "Scotland`s Museum of Transport and Travel". Die einen entdeckten in der Dachform phantasievoll die Wellen des nahen Atlantic Ocean und ich, als nüchterner Industriebauingenieur, die Giebelformen unterschiedlichster Schiffshallen und Verkehrshöfe. Trotz solcher verschiedenen Beobachtungen wuchs die Erkenntnis, dass es ein lohnenswertes Ziel wäre, demnächst auch Reisen auf den "Spuren Zaha Hadids" für den BDB zu entwickeln.
Wer trotzdem von außen nicht an Glasgow herankommt, der wird es garantiert von innen schaffen.
In der riesigen "Kelvingrove Art Gallery and Museum" widmeten wir zuerst unser Interesse der Ausstellung von Interieurs, die Charles Rennie Macintosh (1868-1928) und seine Frau Margaret MacDonald geschaffen haben. Es ist wohl eine der schönsten Jugendstilausstellungen, die ich je gesehen habe.
Insgesamt 9 Höhepunkte hat die Macintosh Society in Glasgow und Umgebung zu zeigen.
Wir haben uns als nächstes der berühmten "Glasgow School of Art" gewidmet. Ein Student der voll und ganz in Betrieb befindlichen Kunsthochschule führte uns unter der Auflage strengsten Fotografier-Verbots durch die Gänge, Treppenhäuser und heiligen Hallen. Seit 1897 und in verschiedenen Schritten bis 1909 wurde das spannende Gebäude in mehreren Bauphasen, wie bei Hochschulgebäuden auch heute noch üblich unter heftigen Finanzierungsschwierigkeiten, nach den Entwürfen vom anfangs erst 28-jährigen Wettbewerbsgewinner Macintosh funktionsfähig errichtet. Die alten Möbel sind alle noch erhalten und teils in Nutzung. Der Höhepunkt, die Library (Bibliothek) beeindruckt besonders durch die original erhaltenen Leuchten.
Wer danach noch Kraft und Geduld hatte, das waren natürlich alle, konnte sich im "The Lighthouse", dem Machintosh-Centre, eine sehr systematisch aufgebaute Ausstellung mit vielen Architekturmodellen ansehen. Glasgow ist eben Macintosh. Das konnten wir in besonderem Maße in "The Willow Tea Rooms" in der belebten Buchanan Street erfahren. Tee in GB zu trinken ist ohnehin ein "Muss", dann aber auch unter den herausgehobenen Bedingungen des 1983 wieder eröffneten einzigen erhaltenen Teehauses dieser Epoche ein besonders Erlebnis.
Am dritten Tag statteten wir zuerst der eindrucksvollen und vorschriftsmäßig eingerüsteten St. Mungo-Kathedrale einen Besuch ab. Das Grab des Heiligen befindet sich in der Krypta. Hier konnte ich es nicht vermeiden, mich von der Gruppe zu entfernen und die oberhalb gelegene Necropolis zu streifen. Von diesem gepflegtem Hügelfriedhof in sattem Grün hat man einen schönen Blick auf Glasow. Doch wirklich beeindruckend ist zusehen, dass die neogotischen und neoklassizistischen Grabmale vorzugsweise berühmte und um die Stadt verdiente Personen, wie u.a. Prediger, Banker, Schiffsbauer und auch endlich mal viele Architekten und Bauingenieure würdigten.
Glücklicherweise wurde mir nur einmal auf dieser Reise die Frage gestellt, ob wir auch zum Loch Ness führen und nach Nessie suchen würden. Ein Blick auf die weitläufige Karte und die Beschäftigung mit den die schottische Landschaft prägenden letzten Eiszeiten in Verbindung mit dem Millionen Jahre vorher nachgewiesenem Verschwinden der Saurier würde wohl zu viel der Desillusionierung bewirken und dem Tourismus enorm schaden. Doch nördlich von Glasgow ist quasi der Eingang zu den Highlands und mit dem viel besungenen Loch Lomond ein ansehnlicher See, der im Nebeldunst auch uns nicht alle seine Geheimnisse freigab. Auf dem Ausflugsschiffchen bot sich bei diesem Wetter geradezu eine zünftige Whisky-Verkostung an. Die Gruppe war sich anschließend fast einhellig einig, "Bunnahabhain 12 Malt" von der Isle of Islay auf den Hebriden hat uns am besten gemundet.
Gut, dass ich am Abend zuvor in "The Clutha" von einer ausgeprochen deutschfreundlichen Blondine den Tipp bekommen hatte, dass das "Queens`Park Cafe" in Crosshill an der Victoria Street der angesagteste Pub in Glasgow sei. So ließ sich am Folgeabend schön gemeinschaftlich bei landestypischer Livemusik die letzte Nacht in Glasgow abfeiern.
Vom aufregenden Glasgow ging es nun in die schottische Hauptstadt, nach Edinburgh. Wieder wunderbar zentral untergekommen im Mercure Edinburgh City, an der Haupteinkaufsmeile Princess Street gelegen, erläuterte uns Gästeführerin Viola Lewis zuerst im Laufe einer Stadtrundfahrt die New Town. Hier konnte man anhand der Anzahl von Laternen vor den Häusern erkenne, von welch hohem Rang die dort wohnende Persönlichkeit früher war. Der Architekt und Städteplaner James Craig prägte diese großbürgerliche Stadtanlage. Bevor es zur Besichtigung des Scottish Parliament ging, wurde Rast am Palace of Holyrood-House gemacht. Hier residiert Queen Elizabeth II., wenn sie sich offiziell in Schottland aufhält. Glücklicherweise gewährt sie ihren Untertanen und auch uns Touristen den Vorzug, gleich daneben unkompliziert zu dinieren und zur Entspannung einige hauseigene royale Souvenirs zu förderlichen Preisen zu erwerben.
Das Parlamentsgebäude, besser gesagt die Gebäudegruppe, fügt sich aufgrund der Vielgestaltigkeit und unterschiedlichster Fassaden und Materialien angenehm in das historische Stadtbild ein. Der katalanische Architekt Enric Miralles aus Barcelona und seine Mitstreiter hatten damit einen umfangreich besetzten Wettbewerb gewonnen. 2004 konnte dort nach über 300 Jahren wieder ein eigenes schottisches Parlament einziehen. Besonders bemerkenswert waren für den Betonbauer und Ingenieur in mir und für die Tragwerksplaner unter uns die expressiv geformten Betongewölbe im öffentlichen Foyer. Sicher wird dieses bemerkenswerte Gebäude öfters im Fernsehen erscheinen, wenn die Schotten Ende 2014 in einem Referendum über einen eigenen Staat abstimmen können.
Vor dem Haupteingang ist eine angenehme Außenanlage mit Wasserflächen angelegt, die einen natürlichen Übergang zum Holyrood Park mit seinen Salisbury Crags bildet. Auf Arthur`s Seat, dem höchsten Punkt dieses erloschenen Vulkans können die Wanderer auf 251 m Höhe 350 Millionen Jahre geologischer Entwicklung nachverfolgen, die u.a. meterhohe Basaltsäulen, die Samson`s Ribs, hinterlassen hat.
Zurückgekommen in der Altstadt findet der Besucher auf dem Weg zum Edinburgh Castle genug der beliebten Klischees. Dudelsackspieler, Kilt-und Pulloverläden wechseln sich ab mit uralten Pubs und Bars, die gern eines der besonders gruseligen Themen des mittelalterlichen schottischen Königreichs und seiner harten Gerichtsbarkeit aufgreifen.
Der letzte Besichtigungstag begann mit dem Aufstieg auf den anderen charakteristischen Berg der Innenstadt, den Calton Hill. Hier bietet sich ein grandioser Rundblick bis zum Hafen, ja sogar zur Stahlgitterkonstruktion der Forth Bridge.
Über die Royal Mile ging es dann zur Besichtigung des berühmten Schlosses. Hier werden die schottischen Kronjuwelen ausgestellt und anschaulich deren Versteck erläutert, welches in Kriegszeiten fremden Zugriff durch Einmauern in eine Turmwand verhindern sollte. Auf dem Platz vor dem Haupttor standen noch Teile der Tribünengerüste des Military Tattoo. Diese traditionelle Militärparade mit vielen Dudelsäcken als Hauptinstrumente startet hier.
Die anschließende Freizeit nutzten unsere Reiseteilnehmer zum Kennenlernen weiterer touristischer Sehenswürdigkeiten, dem Besuch der Woolen Mill oder dem Scottish Whisky Experience. Da man aus den Fenstern unseres Hotels den wohl besten Blick auf die hoch gelegen Altstadtfront und das Castle hatte, kam es nach anstrengenden Kopfsteinpflastertouren allabendlich zu gemütlichen Auswertungsgesprächen, in deren Verlauf die gute Reiseorganisation von Thomas Drosdol (RTD), der uns trotz Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl (25) nicht im Wind stehen ließ und die außerordentlich tiefgründigen Erläuterungen von Viola Lewis (Ravingscotland) gewürdigt wurden.
Mir als "Reiseinitiator" des BDB-Landesverbandes Sachsen-Anhalt gab der Verlauf dieser nunmehr 18. Gruppenreise für Architekten und Ingenieure und kunstinteressierte Vereinsfreunde auf ein Neues den Mut, für 2014 eines der meistgenannten künftigen Ziele vorzubereiten. Sehen Sie sich also bitte unser neues Reiseprogramm "Rund um Lissabon" an.