Myanmar - eine Reise in die Vergangenheit
Januar 2013
Wir bedanken uns bei der Teilnehmerin Frau Ulrike Wolz für die Erlaubnis, den nachfolgenden Text auf unserer Website zu veröffentlichen. (Frau Ulrike Wolz im Internet)
Asien wie es früher einmal war - so wird Myanmar beschrieben und darauf sind wir neugierig. Jetzt, wo sich das Land nach langen Jahren der Isolation allmählich dem Tourismus öffnet und bevor die "Segnungen" der westlichen Welt Einzug finden.
Und tatsächlich finden wir hier noch den Pflug ziehende Wasserbüffel auf den Reisfeldern, Zebu-Taxis, Sänftenträger, traditionelle Kleidung, uralte Handwerkskunst und trotz aller Armut eine Freundlichkeit, die entwaffnet.
Und wir versöhnen uns mit dem Namen Myanmar, als wir erfahren, dass es der alte historische Namen für Burma oder Birma ist. Für das Land, das wir assoziieren mit goldenen Pagoden, grünem Jade, weißen Elefanten, rotgewandeten Mönchen und lächelnden Buddhas.
Stupas, Tempel und Pagoden
Es ist nicht zu fassen: auf jedem Hügel, in jedem Dorf, an jeder Flussbiegung strahlen die goldenen Pagoden um die Wette. Es sind Hunderttausende im ganzen Land, manche sind über 2000 Jahre alt, manche erst gestern erbaut. Sie sind Ausdruck einer tiefen Frömmigkeit, die Familie, Gesellschaft und sogar die Politik prägt.
Wir besichtigen täglich nur etwa gefühlte zehn, bringen die Namen schon am Abend durcheinander, erinnern uns aber trotzdem lebhaft an die prächtigsten und ungewöhnlichsten.
Wie an den 1000 Jahre alte Ananda-Tempel in Alt Bagan, der an eine gotische Kathedrale erinnert und dessen Grundriss ein griechisches Kreuz mit Säulengängen ist, ausgestattet mit vier zehn Meter hohen Buddhafiguren.
Wir bewundern den mit 64 Metern höchsten Tempel in Bagan, bei dessen Bau man für je 10.000 Ziegelsteine einen beiseitelegte, um daneben ein baugleiches Miniaturmodell (mit schlappen acht Metern Höhe) zu errichten.
Wir merken uns, dass die Glockenform der Stupa der 60 Meter hohen Shwezigon Pagode in Nyaung U, deren Spitze aus purem Gold ist, seit ihrer Erbauung vor 1000 Jahren als Prototyp für alle künftigen Pagoden in Myanmar gilt.
Und stehen ehrfürchtig in der Tropfstein-Höhle in Pindaya vor den 8.094 Buddhafiguren in allen Größen und Ausführungen.
Als größtes Buch der Welt gilt die Kuthodaw Pagode in Mandalay, seit König Mindon 1871 alle buddhistischen Lehrsätze auf 729 Marmorplatten meißeln ließ, die jeweils in einer kleinen Pagode vor Sonne und Regen geschützt sind. Zum Lesen bräuchte man 450 Tage, wenn man täglich acht Stunden darauf verwendet.
Faszinierend sind auch die 45 vergoldeten Buddhastatuen, die in einer Pagode in Sagaing einen imposanten Halbkreis bilden und die schneeweißen gewellten sieben Terrassen einer Pagode in Mingun, die die sieben Meere des buddhistischen Kosmos symbolisieren.
Höchst ungewöhnlich ist auch eine Pagode am Hafen von Yangon, in die man hineingehen kann, um die Reliquien, die Haare Buddhas, zu besichtigen. Der Grundriss ist tortenstückartig aufgeteilt, zur heiligen Mitte hin laufen die blendend goldenen Räume spitz zu, so dass Meditationsecken entstehen.
Aber die absolute „Superpagolde“ ist natürlich das Wahrzeichen Myanmars, die Shwedagon in Yangon, die als das größte Heiligtum des Landes gilt. Auf der 60.000 qm großen Anlage soll mehr Gold liegen als auf der Bank von England, allein die Krone der 98 Meter hohen Stupa besteht aus einer Goldkugel mit über 4000 Diamanten. Hier einen Sonnenuntergang mitzuerleben ist wahrlich ein glanzvolles Erlebnis (das man allerdings mit sehr vielen Menschen teilen muss).
Und im Anblick all dieser Heiligtümer verneigen wir uns bewundernd vor den kreativen Höchstleistungen auf den Gebieten der Mathematik, der Architektur, Astrologie und der Kunst, die sich allein aus der Ursehnsucht der Menschen nach Spiritualität speisen.
In allen Pagoden gilt das strikte Verbot von Schuhen und Strümpfen. Zu Anfang noch als lästige Pflicht empfunden, ertappen wir uns dabei, das Kommando „Barfuß!“ als neu gewonnen Freiheit zu empfinden, die herrlich bunten Keramikfliesen, die marmornen Böden und steinernen Stufen fußläufig zu erspüren.
Karma, Wiedergeburt und Nirwana
Der Buddhismus ist in diesem Land allgegenwärtig. Er prägt seine Kultur und das Leben der einfachen Leute. Seine Idee der Wiedergeburt basiert darauf, dass jede Existenz mit dem Saldo aus guten und schlechten Taten der vorherigen Existenz beginnt. Und diesen Kontostand, sprich Karma, gilt es zu verbessern: durch Unterlassen von Schlechtem, durch Spenden an Pagoden und Mönche, durch Meditation und gute Taten.
Das erklärt die unzähligen prall gefüllten Spendenkassen in den Tempeln, die zahlreichen Pilgergruppen und vielen Gläubigen, die Früchte und Blumen als Opfergaben zu den Heiligtümern bringen.
Unser Fahrer hat bestimmt sein Karma verbessert, als er bei Tempo 80 kurz die Hände vom Steuer nimmt, um sie zu falten, als wir an einer Pagode vorbeifahren.
Genauso wie unsere Guides jedem Bettler und jedem Eremit einen kleinen Schein zukommen lassen.Hohe Spendenbereitschaft erfahren auch die allgegenwärtigen Mönche in ihren weinroten Kutten. Sie genießen einen hohen Status, sind Lehrer, Kulturbewahrer und Vorbild für eine Lebensführung, die nach der letzten Stufe der Weisheit, dem Nirwana strebt. Da fehlt es bei uns noch weit, aber wir beginnen schon mal mit der Verbesserung unseres Karmas und geben eine Spende für ein Altersheim (für familienlose Menschen über 70) und ein Waisenhaus für über 700 Kinder.
Fischer, Bauern, Tagelöhner
Trotz der unvorstellbaren Armut (durchschnittliches Einkommen pro Jahr sind 1.400 Euro) muss keiner hungern, so sagt man uns. Auf den Märkten finden wir eine reiche Auswahl an Waren und in den Dörfern erleben wir überall nur freundlich lächelnde Menschen. Da ist der Bauer, der mit seinen Zebus die Felder bestellt, sind die Frauen, die das Getreide bündeln, um es zu dreschen, da sind die Fischer, die aufs Wasser des Inle-Sees klatschen, um die Fische in die Netze zu treiben. Da ist die Hochschwangere, die selenruhig neben der verstaubten Reismühle schläft, die Tagelöhner, die das Gepäck der Touristen am Hafen in das Expressboot hieven. Die Radfahrer mit ihren uralten selbst gebastelten (und für unsere europäischen Hinterteile zu schmalen) Rikschas, die Marktfrauen, die im größten Verkehrsgetümmel ihre Waren anbieten. Und schließlich die Frauen im Straßenbau, die per Hand die Steine verlegen und den Teer verteilen. Sie alle winken fröhlich „Mingalaba!“, präsentieren uns stolz ihre Kinder, laden uns in ihre Häuser ein oder streicheln heimlich unsere Arme – das soll Glück bringen.
Und am Golf von Bengalen weit ab jeglicher Zivilisation begegnen wir in unserem Strandhotel einem zarten jungen Ober, der unseren Stuhl zurechtrückt, die Serviette auf den Schoß legt und – auf Deutsch – leise flüsternd fragt: „Darf ich Ihnen ein Bier einschenken?“ und sich mit „Wohl bekomms!“ zurückzieht. Träumen oder wachen wir?
Papier, Lack und Lotusseide
Beim Einkaufen braucht man keine Sorgen zu haben, billige chinesische Imitationen angedreht zu bekommen. Noch ist hier die aufwendige Handarbeit billiger. Und wir stehen kopfschüttelnd vor den Arbeitsbedingungen dieser Künstler. Ohne Mundschutz und Handschuhe wird mit giftigen Stoffen gefärbt und geätzt, Marmor geschliffen, bei dämmrigem Licht feinste Perlen verstickt und filigrane Schnitzereien gefertigt.
Auch Zeit scheint keine Rolle zu spielen, denn die berühmten schwarzglänzenden Lack-Gefäße, Tabletts und Möbel aus Bambus und Pferdehaaren werden in unzähligen Wochen immer wieder lackiert, getrocknet, abgeschliffen, poliert und vielfarbig freihändig ornamentiert.
Auch die Fertigung von handgeschöpftem Papier aus der Rinde des Maulbeerbaumes braucht seine Zeit. Vor allem, wenn dann daraus noch wunderschön bemalte Papierschirme hergestellt werden, deren Gestell und Schließautomatik aus feinstem Holz geschnitzt sind.
Und wer einmal zugesehen hat, wie die Frauen am Inle-See in ihren mehrstöckigen Bambuspfahl-häusern aus den Stängeln der Lotospflanzen feinste Fasern heraus pulen, sie verzwirbeln, spinnen und weben, wird den Schal mit Ehrfurcht tragen. In Italien werden Designerjacken aus diesem leinenartigen Gewebe für Tausende von Euros verkauft. Wir tragen unsere Stola für 60 Dollar stolz von dannen.
Einbaum, Pickup und Sänfte
Wer in Myanmar von einem Ort zum anderen will, greift oft auf ungewöhnliche Fahrzeuge zurück.
Menschen und Waren können auf dem Inle-See nur auf dem Wasser befördert werden. Und so ist das laute Knattern der Außenborder an den schmalen Einbäumen oft das einzige Geräusch, denn die Fischer gleiten mit ihrer legendären Einbeinrudertechnik fast lautlos über den See.
Eine gesunde Wirbelsäule und etwas Mut sind vonnöten bei der Fahrt in offenen Sammeltaxis, die uns zu Pagoden auf einem Berg bringen. Über fehlende Federung, rasante Fahrtechnik und tiefe Schlaglöcher beschwert sich hier niemand. Auch die Fahrradrikschas in den Städten und die Ruderboote zur Besichtigung der längsten Teakholzbrücke der Welt U Bein sind nur mit Fatalismus zu besteigen.
Mit Herzklopfen und einem Magengrimmen ob der Dekadenz des Transports lassen wir uns dann noch in einer Sänfte transportieren, als es gilt, den steilen Anstieg (3 km 300 Höhenmeter) zum goldenen Felsen zu bewältigen. Die vier Träger kommen ganz schön ins Schwitzen, müssen sogar einmal ausgewechselt werden, um uns stattliche Deutsche zu stemmen. Doch trotz ihrer grimmigen Mienen sind sie sehr darauf bedacht, uns auch für den nächsten Morgen als zahlende Kunde zu gewinnen. Doch wir ziehen es dann doch vor, eigenfüßig hinab zuwandern……
Magische Momente
Wer in der Gruppe reist, hat manchmal Schwierigkeiten, für die rechte Innerlichkeit in magischen Momenten. Denn einer hat immer einen Witz zu machen, das Panorama lautstark zu preisen oder sich über das schöne Wetter auszulassen.
Myanmar aber bringt an einigen Orten jeden zum Schweigen, zum Angerührtsein, zum Staunen vor Natur und Kunst. Mich hat das abendliche Licht am Inle-See zum Verstummen gebracht: Über dem ölig wirkenden, von keinem Windhauch gekräuselten Wasser heben sich die Konturen der Einbeinruderer vor dem sich rötlich färbenden Himmel ab, die Wasserlilien bilden kleine schwimmenden Inseln und es senkt sich unglaublich tiefe Ruhe herab.
Genauso anrührend empfinde ich die Morgenstimmung in Bagan, als wir auf eine der Backsteinpagoden klettern und von oben herab sehen, wie die Spitzen unzähliger Pagoden aus dem morgendlichen Nebel ragen. Am Himmel brechen dann erste Sonnenstrahlen durch die kleinen Federwölkchen und treffen genau mich ins Herz.
Eine ähnliche Empfindung von völliger Ruhe und Geborgenheit hatte ich mir vom Besuch der Shwedagon-Pagode erwartet. Doch bei einem derartigen Menschengewusel und Spektakel kommt keine Andacht auf. Wie gut, dass wir die Gelegenheit haben, die Hauptpagode in Bago zu besuchen. Sie ist noch goldener, noch höher und noch älter als die Shwedagon (und noch dazu ohne Renovierungsverhüllungen). Es herrscht Mittagshitze, kaum ein Mensch ist zu sehen (geschweige denn zu hören), wir lauschen dem Zwitschern der Vögel und hören endlich die Abertausende von Glöckchen in den Kronen im leichten Wind klingeln. Und der Himmel ist auch blauer als sonst.
Und wer wie wir auch einen Aufenthalt am Meer gebucht hat, wird die nächtliche Stunde am kilometerlangen einsamen Strand nicht vergessen, wenn der Mond (wir haben sogar alles erhellenden Vollmond) sich im Wasser spiegelt, die Sterne ohne Restlicht funkeln und das stete Rauschen des Meeres jedes andere Geräusch verstummen lässt.
Wie sagt Christa so schön: "Ja, is et denn wahr!"
Das Nirwana wird wahr in Myanmar.